Im Fokus Sep 10, 2024

Neue Materialien: Aus diesen Werkstoffen wird die Zukunft gemacht

Zahlreiche Branchen profitieren von der Entwicklung neuer Materialien – so auch im Freistaat Bayern, der dahingehend eine Spitzenposition in Europa einnimmt. Innovative Beispiele aus der Automobil-, Gesundheits-, Bau- und Luftfahrtbranche unterstreichen dies. Warum die Forschung an neuen Materialien in Bayern auf einen besonders fruchtbaren Boden fällt und wie Industrie und Forschung hier im Sinne bahnbrechender Innovationen kooperieren, erfahren Sie im Folgenden.

Innovative Materialien verändern unsere Welt – und unseren Alltag. Im Kleinen, zum Beispiel wenn Spiegeleier und Bratkartoffel dank neuer Beschichtungen nicht mehr in der Pfanne kleben bleiben. Und im Großen, wenn Werkstoffe wie Carbon Eingang in sämtliche Bereiche der Industrie finden: weil sie dank ihrer Leichtigkeit und Widerstandsfähigkeit bislang undenkbare Anwendungen denkbar machen.

Daher sind Innovationen in der Materialwissenschaft nicht nur faszinierend, sondern auch von entscheidender Bedeutung für die Industrie des 21. Jahrhunderts. Sie bieten oftmals verbesserte Leistung und Haltbarkeit und tragen maßgeblich zur Nachhaltigkeit und Effizienz bei. Von der Luftfahrt bis zur Automobilbranche machen Unternehmen zunehmend von den Features Gebrauch, die innovative Materialien ermöglichen. So senken leichtere Verbundwerkstoffe etwa deutlich den Treibstoffverbrauch, während fortschrittliche Polymere die Langlebigkeit von Karosserieteilen erhöhen und damit den Bedarf an Ersatzteilen verringern.
 

Ein wachsender und sehr dynamischer Markt

Kein Wunder, dass der Markt für neue Materialien dynamisch wächst und sich mit jedem technologischen Fortschritt neue Möglichkeiten ergeben. Die stetige Nachfrage nach umweltfreundlichen Alternativen treibt die Forschung voran und verschiebt die Grenzen des Möglichen. Doch wie entstehen diese bahnbrechenden Innovationen? Die Antwort liegt in einer Zusammenarbeit über Industriesektoren hinweg sowie einem globalen Netzwerk von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Innovatoren, die Erkenntnisse aus Chemie, Physik und Ingenieurwissenschaften miteinander verknüpfen.

So sind neue Materialien in einer Welt, die sich immer schneller verändert, der Schlüssel zu einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Industrie. Sie verändern die Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, grundlegend. Das gilt ganz besonders auch für den Standort Bayern. Dass es so leicht ist, hier viele spannende Beispiele für die Entwicklung neuer Materialien zu finden, ist kein Zufall: Bayern verfügt über eine starke, international konkurrenzfähige Wirtschaft, die Trends schnell aufgreift und sich verpflichtet, diese auch selbst zu setzen.

Der Markt für neue Materialien verfügt über ein enormes Wachstumspotenzial. Die Entwicklung zukunftsfähiger und nachhaltiger Technologien ist also entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der lokalen Industrie. „Unser Bundesland ist besonders geprägt von zahlreichen großen und mittelständischen Industrien, vor allem in den Disziplinen Automobilbau, Flugantriebe, Elektrotechnik, Maschinen- und Anlagenbau und Bauwirtschaft. In diesen Fachgebieten können die Ergebnisse der Materialforschung auf bewährte Weise unmittelbar in die jeweilige Bauteilentwicklung umgesetzt werden“, erläutert Prof. Rudolf Stauber des bayerischen Clusters für Neue Werkstoffe.


Perfekte Bedingungen für die Entwicklung neuer Materialien in Bayern

Damit diese Synergien gewinnbringend gut genutzt werden können, benötigen Unternehmen die nötige Infrastruktur – beispielsweise in Form eines einfachen Zugangs zu Märkten in ganz Europa und hochqualifizierter Fachkräfte, die sich auf die Entwicklung und Herstellung neuer Materialien spezialisiert haben. Mit renommierten Universitäten und Forschungseinrichtungen, wie beispielsweise der Technischen Universität München und dem Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik, haben Unternehmen in Bayern Zugang zu Spitzenforschung (cutting-edge Forschung.) Hinzu kommen lokale Hubs wie das Kompetenzzentrum Neue Materialien, das von den Universitäten in Bayreuth und Fürth initiiert und getragen wird. Ebenso zu nennen ist die Neue Materialien Fürth GmbH (NMF), eine anwendungsnahe Landesforschungseinrichtung des Freistaates Bayern mit dem Ziel, in enger Kooperation mit Forschungsinstituten und Partnern aus der Industrie neue Werkstoffe und Herstellungsverfahren in industrienahe Lösungen umzusetzen.

Diese Grundlagenforschung ist die eine Seite. Andererseits setzt die bayerische Regierung aber auch Förderprogramme für Unternehmen auf, die Investitionen in den Bereich besonders attraktiv machen. Seit 2006 bündelt das Land seine Kompetenzen im Werkstoffbereich in dem Cluster „Neue Werkstoffe“ als ein Teil der „Cluster Offensive Bayern“. Die Entwicklung neuer Materialien hat im Freistaat sogar eine noch viel längere Tradition und wird bereits seit Anfang der 1990er-Jahre durch die Bayerische Landesregierung gefördert. Auf dieser Basis hat Bayern sich eine Spitzenposition im Feld neuer Materialien in Europa erarbeitet. Das zeigt sich in vielen verschiedenen innovativen Anwendungsfeldern.


Anwendungsfelder neuer Materialien in Bayern
 

Baubranche

Gerade in der Baubranche sind nachhaltige Innovationen von großer Wichtigkeit. Ganze 7% der weltweiten CO2-Emissionen gehen auf die Produktion von Zement zurück. Kein Wunder, dass hier mit Hochdruck an neuen Materialien geforscht wird.

  • KohPa: Das Unternehmen KohPa aus Dachau entwickelte beispielsweise „das weltweit erste Papier, das Strom leitet“. Der Kohlestofffaser-Papier-Verbundwerkstoff lässt sich somit als Flächen-Heizung im Leichtbau einsetzen. Zum Beispiel aus Tapete, aber auch in Form einer Decken- oder Fußbodenheizung. Schon 2020 wurde das Material als eine der Top5-Innovation in Europa von der EU für die repräsentative „Green Materials Box“ ausgewählt.
     
  • TU München: Die Technischen Universität München erforscht im Rahmen einer Forschungsgemeinschaft zum Thema „Additive Manufacturing in Construction“ (AMC) neue Zukunftsperspektiven für die Baubranche durch 3D-Druckverfahren z.B. zum Bauen mit Lehm und für den Hochwasserschutz. Das Projekt konzentriert sich auf Themen wie eine effizientere Materialnutzung und eine umweltfreundlichere Produktion.


Luft- und Raumfahrt

Jedes Kilogramm Material, das beim Bau eines Flugzeugs eingespart wird, spart den Airlines jährlich 2.000 Euro beim Treibstoffverbrauch – und damit auch Unmengen an CO2, das nicht in die Atmosphäre gelangt. Die Forschung an neuen Materialien ist daher gerade für die Luft- und Raumfahrt von großem Interesse.  

  • Leichtbau-Forschungszentrum: Schon seit 2013 forschen Fraunhofer ICT und DLR in Augsburg in einem eigens dafür eröffneten Leichtbau-Forschungszentrum an den Werkstoffen der Zukunft – und ihrer industriellen Produktion. Über die Jahre entstand hier ein enormes produktionstechnisches Know-how, das in die Produktion der Luft- und Raumfahrt weltweit einfließt.
     
  • Bayern-Chemie: Die Höhenforschungsrakete MAPHEUS-14 des DLR, die Schwerelosigkeitsexperimenten in mehreren hundert Kilometern Höhe dient, wurde mit dem neuen Raketenmotor „Red Kite“ ausgestattet, der vom DLR und Bayern-Chemie gemeinsam entwickelt wurde. Er nutzt Komposit-Festtreibstoffe aus einem polymeren Netzwerk, in das kristalline Oxidationsmittel und, je nach Rezeptur, pulverförmige Metalle sowie weitere Additive eingearbeitet sind.


Automotive

Wenige Branchen befinden sich derart im Wandel wie die Automobilbranche: Sie steht unter Druck, nicht nur das Fahren, sondern auch die Produktion und das Recycling ihrer Produkte nachhaltiger zu gestalten. So ist die Nutzung neuer Materialien gerade hier besonders wichtig.

  • BMW: Naturfasern in einem Auto? Das wird immer mehr zur Realität. BMW hat beispielsweise umfangreich in den Bio-Leichtbau investiert. Gerade im Interior spielt dieser eine Rolle: Hier sollen bis zu 70% des bisher genutzten Kunststoffs und rund 60% der mit dem Bauteil verbundenen CO2-Emissionen eingespart werden. Hinzu kommt, dass auch CO2-intensiv produzierte Carbonteile mit dem Naturfaserstoff ersetzt werden können.
     
  • NALYSES: Ziel des Forschungsprojekts NALYSES ist es, einen nachhaltigen, klimafreundlichen Scheinwerfer zu entwickeln. Im Zuge dessen wird erforscht, wie Produkte und Rohstoffe im Sinne einer Kreislaufwirtschaft möglichst lange genutzt werden können. Unterstützt durch diverse Industriepartner aus Bayern – darunter Hella und Covestro – untersuchen die Forscher des Fraunhofer IEM dazu den gesamten Produktlebenszyklus eines Scheinwerfers von der Materialbeschaffung bis zur Reparatur- und Recyclingfähigkeit.


Gesundheit

Neue Materialien in der Gesundheitsbranche? Das mag auf den ersten Blick ungewöhnlich klingen – die Forschung kommt hier allerdings immer wieder zu bahnbrechenden Ergebnisse. Auch in Bayern.

  • Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU): Einem Team der Universität Genf und der LMU ist es beispielsweise gelungen, vollständig biologisch abbaubare Nanopartikel zu entwickeln, die in der Lage sind, ein neues entzündungshemmendes Medikament direkt in Makrophagen – die Zellen, in denen unkontrollierte Entzündungsreaktionen ausgelöst werden – einzuschleusen und so seine gute Wirksamkeit zu gewährleisten. Darüber hinaus verwendeten die Wissenschaftler eine In-vitro-Screening-Methode, so dass keine Tierversuche erforderlich waren.


Nachhaltigkeit

Der Bedarf nach innovativen Lösungen für ökologische Herausforderungen ist allgegenwärtig. Neue Materialien können den Ressourcenverbrauch in unterschiedlichen Industrien minimieren und nachhaltige Produktionsweisen fördern.

  • Insempra: Die Biotech-Firma Insempra entwickelt beispielsweise hochfeste textile Faserstoffe, die kinetische Energie absorbieren, indem sie mithilfe von Computational Design synthetische Proteine erschaffen. Ziel ist es, die Produktion nachhaltiger Alternativen zu petrochemisch hergestellten und tierischen Materialien wie Seide zu skalieren und so Umweltauswirkungen wie Mikroplastikverschmutzung zu reduzieren.


Diese Beispiele zeigen: Es sind nicht nur die offensichtlichen Beispiele aus dem Alltag, die unsere Welt mit neuen Materialien nachhaltig verändern. Ganz im Gegenteil - es sind sogar eher die abseits des gesellschaftlichen Rampenlichts ablaufenden Prozesse, die uns eine nachhaltigere Mobilität und bessere Gesundheit ermöglichen. Unter anderem mit Forschung und Entwicklung made in Bavaria.